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Zusammenfassung:

Die Potentiale des deutschen Sozialmodells

Ein neuer Blick auf das bestehende System (Kapitel 1): Mit dem 5-Säulen-Modell wird Komplexität reduziert und das System der sozialen Sicherheit anschaulich gemacht. Sie ruht in Deutschland auf fünf Säulen, zwei davon haben einen kollektiv-staatlichen Charakter, drei sind rein privater Natur:

1. Die Beveridge-Säule (benannt nach dem englischen Sozialpolitiker William Beveridge): Sie hat aus dem Almosen- und Wohltätigkeitsgedanken soziale Rechte gemacht. Ihre Finanzierung erfolgt durch Steuermittel, Armutsbekämpfung und Existenzsicherung sind ihr Ziel. Handlungsinstrumente sind: Sozialhilfe, Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, Arbeitslosenhilfe bzw. seit 2005 Grundsicherung für Arbeitssuchende (Arbeitslosengeld II), Jugendhilfe, Kinder-, Erziehungs- und Wohnungsgeld, Ausbildungs- und Vermögensbildungsförderung, Soziale Entschädigung, Lastenausgleich, Wiedergutmachung.

2. Die Bismarck-Säule (benannt nach dem gleichnamigen Reichskanzler): Sie besteht aus allen gesetzlichen Sozialversicherungen, die aus Beiträgen finanziert werden (Renten-, Kranken-, Pflege-, Arbeitslosen- und Unfallversicherung). Die Höhe der erreichten Ansprüche richtet sich hierbei nach dem Äquivalenzprinzip: Wer mehr einbezahlt hat, bekommt auch mehr ausbezahlt.

 
   

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3. Die private Vorsorgesäule: Hierzu zählen alle privaten Versicherungen (Lebens-, Kranken- und Unfallversicherungen) und privaten Spareinlagen.

4. Die Zivilgesellschaftliche Säule: Sie umfasst in der Regel ehrenamtlich erbrachte Leistungen von Stiftungen, Vereinen oder Verbänden.

5. Die Familien-Säule: Sie besteht in der Regel aus unbezahlten Leistungen, die in Familien erbracht werden.

Ein neuer Blick auf alte Probleme (Kapitel 2): Die Krise des Sozialstaates steht in Zusammenhang mit drei  Problemkomplexen, die gemeinsam zum sozialpolitischen Blockadeknoten führen: Endogene Probleme liegen vor, die ihre Ursache im institutionellen Aufbau der Sozialbürokratie haben. Aufgaben und Zuständigkeiten innerhalb staatlicher Behörden sind unklar verteilt, fehlende Transparenz und Ineffizienz sind die Folge.

Exogene Probleme ergeben sich durch mangelnde Reaktionsfähigkeit auf den gesellschaftlichen und ökonomischen Wandel: Der Faktor Arbeit ist hoch belastet, Steuer- und Beitragseinnahmen brechen weg. Die Ursachen liegen dafür u. a. in der Globalisierung, dem Strukturwandel und der Überalterung der Bevölkerung. Diese beiden Problemkomplexe bedingen umfangreiche Ungerechtigkeiten: Ungerechte Lastenverteilung: Moral-hazard-Verhalten, Inverse Solidarität, Leistungsmissbrauch und zu hohe Unterstützung für arbeitsfähige Personen, Klientelpolitik und Soziale Segregation. Ergebnis: Mit dem bestehenden "Schönwettersystem", das in Zeiten der Hochkonjunktur und Vollbeschäftigung entstanden ist, kann auf die heutigen Gegebenheiten nicht adäquat reagiert werden. Sowohl endogene als auch exogene Probleme des Sozialsystems führen dazu, dass die Handlungsmaximen (Leitlinien, Ziele und Prinzipien) der Gesellschaft und der sozialen Sicherheit verletzt werden.

Das Potential des deutschen Sozialmodells (Kapitel 3): Der skandinavische oder angelsächsische Weg wird als Alternative zum deutschen Sozialstaat diskutiert. Die linken Kräfte gehen von einem altruistischen Menschenbild aus und empfehlen das skandinavische Modell: Alles wird aus Steuern finanziert, und zwar auf hohem Niveau. Die rechten Kräfte blicken nach Westen und setzen auf einen Ausbau der privaten Säulen, wobei sie eine Individualisierung der Lebensrisiken in Kauf nehmen. Sie gehen von einem egoistischen bzw. utilitaristischen Menschenbild aus und träumen davon, dass die unsichtbare Hand des Marktes für Wohlstand sorgt. Und das deutsche Modell? Es kombiniert einzelne Vorteile des angelsächsischen und skandinavischen Modells, wodurch es beiden Systemen in ihrer reinen Form überlegen ist. So kann der deutsche Sozialstaat zwei kollektive Sicherheitsnetze aufbauen, die Existenz und Lebensstandard absichern. Hinzu kommen freiwillige, konjunkturunabhängige Ressourcen (vgl. oben private Säulen). Der deutsche Sozialstaat verfügt also über ein großes Potential, um aus eigener Kraft Reformen voranzutreiben.

Handlungsmaximen neu gedacht (Kapitel 4): Auf der normativen Ebene lassen sich zwei Kulturen identifizieren: die Kultur der Solidarität und die Kultur der Selbständigkeit. Dieser Ansatz führt zu einem normativen Gebäude, das in seinen einzelnen Bereichen konsistent organisiert ist - im Gegensatz zum heutigen System, in dem sich Handlungsmaximen häufig widersprechen. Konsistenz bedeutet: Entsprechend der jeweiligen Kultur werden Handlungsmaximen formuliert, und zwar Leitlinien, Ziele und Gestaltungsprinzipien. Diese stehen in einem logischen Zusammenhang, z. B. folgt in der Kultur der Solidarität aus der Leitlinie „christliche Nächstenliebe“ das Ziel „Armutsbekämpfung ex post“. Das zugehörige Gestaltungsprinzip ist das Finalprinzip, d h. die Hilfe erfolgte ohne Blick auf die Ursachen der Notlage. So lassen sich auch Handlungsmaximen für die Kultur der Selbständigkeit formulieren. Außerdem verhalten sich die zwei Kulturen in dem neuen Gebäude komplementär, sie ergänzen sich und blockieren sich nicht.

Neue Handlungsinstrumente (Kapitel 5): Von den oben genannten Handlungsmaximen führt ein direkter Weg zu neuen Handlungsinstrumenten. In der Beveridge-Säule sollten Leistungen ausschließlich der Fürsorge, also der Existenzsicherung dienen. Sie sollten nach einer Bedürftigkeitsprüfung in Form einer Grundsicherung in standardisierter Höhe (zurzeit 345 € monatlich plus Wohngeld) gewährt werden, und zwar unterschieden nach Nichterwerbsfähigen (die gegenwärtige Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, SGB XII) und Erwerbsfähigen (Grundsicherung II). Hinzu sollte eine standardisierte Grundrente kommen, auf die jeder Bürger ohne Bedürftigkeitsprüfung einen Anspruch hat. Sie würde den Rentensockel bilden, der durch Ansprüche aus der Bismarck-Säule ergänzt wird.

Leistungen in der Bismarck-Säule sollten ausschließlich der (Risiko-)Vorsorge, also der Sicherung des Lebensstandards dienen (Kranken-, Renten-, Arbeitslosen-, Pflege-, und Unfallversicherung). Der Staat hat lediglich eine Ordnungsfunktion, die Finanzierung erfolgt über Versicherungsbeiträge nach dem Kausalprinzip (von Fall zu Fall wird unterschiedlich vorgegangen).

Damit die Private Vorsorge-Säule besser gedeiht, müssten die Einkommen steigen, dies geht allein über mehr Wirtschaftswachstum und höhere Löhne.

Die Zivilgesellschaftliche Säule kann man stärken, indem die arbeitsfähigen Empfänger einer Grundsicherung wöchentlich zu 15 Stunden gemeinnütziger Arbeit verpflichtet werden. Dabei kann sich jeder die Arbeit in einem gemeinnützigen Verein selbst aussuchen. Wer dies nicht will, sollte bis zum Existenzminimum bzw. Steuerfreibetrag (fast 600 €/ monatlich) steuerfrei verdienen können (Niedriglohnbereich). So würde das Humankapital dieser Bevölkerungsgruppe sinnvoll genutzt.

In der Familiensäule ist eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht nur für Alleinerziehende wichtig, wodurch generell die kollektiven Sicherheitssysteme entlastet würden.

Ein neues Portfolio der Sozialen Sicherheit (Kapitel 6): Kommt es zu einer konsistenten und komplementären Weiterentwicklung des deutschen Sozialmodells, können die Bürger auf ein Portfolio unterschiedlicher Instrumente zugreifen, um sich sozial abzusichern. Dabei ist es wichtig, auf bestehende Strukturen aufzubauen – nicht eine Revolution, sondern eine Evolution sollte stattfinden, um den Sozialstaat zukunftssicher zu gestalten. Denn im Vergleich zu anderen Ländern liegt die Stärke des deutschen Modells in seiner Vielfalt, die es zu bewahren und auszubauen gilt.

Wie bei einem Auto muss es verschiedene Sicherheitssysteme geben, die unabhängig von einander funktionieren. Höhere Leistung ist in der Autoindustrie immer mit höheren Sicherheitsstandards verbunden – ohne ABS und Airbag kommt heute kaum ein Fahrzeug auf die Straße. So sollte auch die Soziale Sicherheit in Deutschland erweitert werden, um sie der höheren wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit anzupassen. Ohne soziale Stabilisatoren kann eine moderne Gesellschaft nicht existieren – ein breites Portfolio an sozialen Handlungsinstrumenten sorgt dafür, dass der Sozialstaat intakt bleibt.



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2. Säulen 3. Blockadeknoten 4. Evolution 5. Handlungsmaximen 6. Handlungsstrategien

7. Legitimation 8. Zusammenfassung 9. Quellenverzeichnis 10. Literaturverzeichnis

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Quelle:
soziale-sicherheit.de/zusammenfassung-soziale-sicherheit.htm

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