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6. Handlungsstrategien und -instrumente.
Effizienter und gerechter Umbau der Sozialen Sicherheit in Deutschland

Im letzten Kapitel wurde gezeigt, wie sich für die fünf Säulen des deutschen Sozialsystems konsistent Handlungsmaximen entwickeln lassen. In diesem Kapitel sollen jetzt diese Maximen auf konkrete Handlungsstrategien und –instrumente angewendet werden.

Jede Säule des Sozialsystems ist mit einer bestimmten Strategie verbunden:

  • Die Beveridge-Säule organisiert eine staatliche Umverteilung, deren Finanzierung durch Steuermittel erfolgt.
  • Die Bismarck-Säule ist ein staatliches Zwangsversicherungssystem, das sich aus Beiträgen finanziert.
  • Die Private Vorsorge-Säule besteht u. a. aus freiwilligen Versicherungen, und andere private Geldanlagen sind auch möglich (Hauskauf, Aktienfonds u. ä.).
  • Die Zivilgesellschaftliche Säule lebt vom ehrenamtlichen Engagement der Bürger, die u. a. in Wohlfahrtsvereinen arbeiten.
  • Die Familien-Säule ist geprägt vom familiären Engagement, das den Mitgliedern der Familie in unterschiedlichen Formen zugute kommt.

 

 
   

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Diese Handlungsstrategien in den fünf Säulen bilden ein umfangreiches Portfolio, das dem Bürger für jedes Lebensrisiko mehrere geeignete Handlungsinstrumente zur Verfügung stellt. Die Strategien und ihre Instrumente sollten einen komplementären Charakter haben, sonst blockieren sie sich gegenseitig.

Die fünf Säulen des deutschen Sozialsystems sollten wie folgt reformiert werden (vgl. 5. Schaubild: Handlungsstrategien und -instrumente. Effizienter und gerechter Umbau der Sozialen Sicherheit in Deutschland):


6.1  Bismarck-Säule Seitenanfang

Das komplexe gegenwärtige System (Sozialhilfe, Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, Grundsicherung für Arbeitssuchende (auch Hartz IV oder Arbeitslosengeld II genannt, bis 2005 Arbeitslosenhilfe), Jugendhilfe, Kinder-, Erziehungs- und Wohnungsgeld, Ausbildungs- und Vermögensbildungsförderung, Soziale Entschädigung, Lastenausgleich, Wiedergutmachung) sollte durch drei Formen der Grundsicherung ersetzt werden:

(1) Grundsicherung für Nichterwerbsfähige (GS I): Nichterwerbsfähige Personen haben auf diese Standardsicherung einen Rechtsanspruch, so entsteht Sicherheit für die Leistungsempfänger. Die GS I ersetzt alle derzeitigen Entschädigungszahlungen, wie sie im ersten Kapitel geschildert worden sind. Die GS I sollte eine steuerfinanzierte Sozialleistung.

(2) Grundsicherung für Erwerbsfähige (GS II): Wer einer Erwerbstätigkeit nachgehen könnte, hat Anspruch auf die GS II. Ausschlaggebend ist die Bedürftigkeit, d. h. diese Menschen sind nicht in der Lage, aus eigenem Einkommen oder Vermögen ihr Leben zu bestreiten. Diese Bedürftigkeit wird von den Behörden immer geprüft. Eine Bedingung gibt es aber: Diese Sozialleistung ist nur zu gewähren, wenn der Empfänger bereit ist, gemeinnützige Arbeit zu verrichten. Diese Verpflichtung sollte einen Umfang von 15 Stunden pro Woche haben. Werden weniger als 15 Stunden gemeinnützige Arbeit in der Woche geleistet, kommt es zu entsprechenden Leistungskürzungen.

(3) Grundrente für Bürger im gesetzlichen Rentenalter: Dabei handelt es sich um eine standardisierte Grundrente, auf die jeder Bürger im entsprechenden Alter einen Anspruch hat, ohne dass die Bedürftigkeit geprüft wird. Diese Grundrente würde einen Rentensockel darstellen, der durch Ansprüche aus der Bismarck-Säule sowie privaten Vorsorgesäule ergänzt wird.

Alle drei Formen der Grundsicherung sollten folgende gemeinsame Eigenschaften haben:

(1) Standardisierte Leistungen, keine Einzelfallgerechtigkeit: Die Leistungen zur Existenzsicherung sollten nur den Charakter der Fürsorge haben, und zwar in Form einer Grundsicherung (GS). Die Leistungen werden in standardisierter Höhe ausbezahlt, wodurch man von der komplizierten und bürokratischen Einzelfallgerechtigkeit Abschied nimmt. Auf diese Weise würden alle bisherigen Entschädigungsleistungen sowie Förder- oder Fürsorgezahlungen wegfallen.

(2) Leistungshöhe: Um die Höhe der Leistungen aus der Grundsicherung I und II zu definieren, wird als Ausgangsgröße ein Betrag von 600 Euro gewählt, weil drei bislang übliche Steuerungsgrößen in diesem Bereich liegen: das Existenzminimum (579 Euro), der Steuerfreibetrag (618 Euro) und das Arbeitslosengeld II (345 Euro zuzüglich Wohngeld und Beitrag zur Krankenversicherung). Zu diesen 600 Euro kommt ein Beitrag für die Krankenversicherung dazu. Eine besondere Regelung wird für Kranke und Behinderte getroffen. Sie erhalten Zulagen, mit denen die Grundsicherung I aufgestockt wird. Die Höhe der Zulagen ist davon abhängig, wie schwer die individuellen Einschränkungen sind. So werden die „Hilfen in besonderen Lebenslagen“ beibehalten, wie sie bisher gewährt werden.

Der Zuschuss des Staates zur Rentenkasse beträgt im Moment rund 80 Milliarden Euro im Jahr – mit der neuen Grundrente würde dieses Geld in gleicher Höhe an alle Leistungsempfänger ausbezahlt. 2004 lebten rund 15,4 Millionen Menschen über 65 Jahre in Deutschland, pro Kopf würde dann schätzungsweise ein Betrag von 434 Euro / Monat ausgezahlt werden.

(3) Steuerfinanzierung mittels negativer Einkommenssteuer: Die Grundsicherung I und II sowie die Grundrente werden in einem Umlageverfahren nur aus Steuergeldern finanziert, wobei als Mechanismus die negative Einkommenssteuer Verwendung findet. In das Steuersystem wird eine Transferleistung integriert, man unterscheidet dann einen positiven und negativen Bereich. Im positiven Bereich müsste jeder Bürger sein Einkommen wie bisher versteuern, ein Grundfreibetrag sichert das Existenzminimum. Liegen Menschen mit ihrem Einkommen im negativen Bereich oder erzielen gar keine Einkünfte, erhalten sie eine Transferleistung, die so genannte negative Einkommenssteuer.


6.2 Staat: Beveridge-Säule Seitenanfang

(1) Alle Einkommen als Bemessungsgrundlage: Bis auf die Unfallversicherung sind alle Zweige der Sozialversicherung (Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung) so zuorganisieren, dass als Bemessungsgrundlage für die Beiträge alle Einkünfte der Bürger dienen, also auch Miet-, Pacht- oder Zinseinkünfte. Die Absicherung sozialer Lebensrisiken sollte weiterhin bis zu einen bestimmten Höhe des Einkommens über die gesetzliche Zwangsversicherungen erfolgen.

(2) Rentenversicherung: Steuergelder werden nicht mehr für die Rentenversicherung verwendet, in Anlehnung an das „Riester-Modell“ wird die Altersvorsorge organisiert, aber ohne Zuschüsse vom Staat. Die Bürger sollen 20 Prozent ihres Einkommens in die Altersvorsorge fließen lassen.

(3) Kapitaldeckungsverfahren: In der Rentenversicherung wird nach einer Übergangszeit das Kapitaldeckungsverfahren eingeführt. Anzustreben ist eine Mischfinanzierung: Die Renten würden sich zusammensetzen aus der umlagefinanzierten Grundrente aus Steuern (siehe oben) und dem kapitaldeckenden Vermögen, das aus Versicherungsbeiträgen erwirtschaftet wird. Hierbei gilt das Äquivalenzprinzip: Die Höhe der Beiträge bestimmt die Höhe der Rentenzahlungen.

(4) Kranken- und Pflegeversicherung: Jeder Bürger hat eine Wahlpflichtversicherung, die eine Grundversorgung garantiert. So werden über einen Solidarausgleich allgemeine Gesundheitsrisiken abgesichert. Inklusive der Pflegeversicherung soll der Beitragssatz bei ca. 15 Prozent liegen. Neben dieser gesetzlichen Standardversicherung gibt es dann die Möglichkeit, private Zusatzversicherungen abzuschließen, die etwa im Fall von Sportunfällen oder Kuren greifen. 


6.3 Private Vorsorge-Säule, Zivilgesellschaftliche Säule und Familien-Säule Seitenanfang

Die Bedeutung dieser Säulen wird oft unterschätzt: Ihre Leistungsfähigkeit ist größer als die der ersten beiden Säulen. Die Private Vorsorge-Säule wird durch eine Wachstumsorientierte Wirtschaftspolitik gestärkt, weil so die Bürger über mehr Geld verfügen. Die Zivilgesellschaftliche Säule sollte allein von Spenden und ehrenamtlichem Engagement leben, staatliche Gelder sollten nur in die Beveridge-Säule fließen. So werden die Steuermittel effizienter genutzt – und es entsteht mehr Gerechtigkeit im System, weil die bisher übliche Klientel-Politik in der Zivilgesellschaftlichen Säule nicht mehr möglich ist (Vergabe von staatlichen Zuschüssen!). Schließlich gibt es eine Reihe von Maßnahmen, um die Familien-Säule zu fördern – vom kostenlosen Zugang zu Bildung auf allen Ebenen (Kindergarten bis Universität) bis zur Familienfreundlichen Gestaltung von Arbeitsplätzen.



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Quelle:
soziale-sicherheit.de/handlungsstrategien.htm

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